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In der Geschichte gibt es mehr Tragödien als Triumphe. Nur wenige Gelehrte möchten sich mit einer langen Litanei von Ereignissen beschäftigen, die gut ausgegangen sind. Und wir Atreides haben mehr Spuren in der Geschichte hinterlassen, als wir jemals beabsichtigt haben.
Herzog Paulus Atreides
Duncan Idaho hielt einen gefährlich aussehenden Dolch in der linken Hand und ein kleineres Nierenmesser in der rechten, als er sich auf Leto stürzte.
Leto flüchtete sich rückwärts in den Bankettsaal und drehte sich, um seine verletzbaren Stellen mit dem halben Körperschild zu schützen. Der Schwertmeister hatte seine Reflexe bereits verlangsamt und die Geschwindigkeit der Klinge an die schimmernde Barriere angepasst.
Leto überraschte Duncan mit einer ungewöhnlichen Reaktion. Er warf sich direkt auf seinen jüngeren Gegner. Dadurch wurde die relative Geschwindigkeit von Duncans Messer erhöht, sodass die Klinge wirkungslos vom Schutzschild abprallte.
Leto hob sein Kurzschwert, aber der junge Schwertmeister sprang zur Seite und mit katzenhafter Geschmeidigkeit auf den Banketttisch.
Die Facettenaugen des ausgestopften Kopfes eines salusanischen Stiers und das Porträt des alten Herzogs Paulus im roten Matadorgewand schienen das Duell interessiert zu verfolgen.
»Diese Kerzenhalter waren ein Hochzeitsgeschenk meiner Eltern«, sagte Leto lachend. »Wenn du sie kaputtmachst, wirst du mit deiner abgezogenen Haut dafür bezahlen.«
»Du wirst gar nicht die Gelegenheit erhalten, meine Haut auch nur zu berühren.« Duncan provozierte ihn, indem er einen trotzigen Salto rückwärts auf dem Tisch vollführte.
Während der Schwertmeister noch in der Luft hing, ließ Leto seinen Messerarm herumwirbeln und warf einen der langen Kerzenständer um, sodass Duncan mit den Füßen darauf landen musste. Sein Gegner verlor das Gleichgewicht und krachte mit dem Hintern auf den Tisch. Leto sprang ihm nach und hielt das Kurzschwert bereit, um den Übungskampf zu beenden. Es wäre sein erster Sieg über den Schwertmeister gewesen ...
... wenn sich Duncan noch dort befunden hätte.
Denn dieser hatte sich inzwischen zum entfernten Ende des Tisches gerollt, wo er zu Boden fiel und dann wie eine Krabbe unter der schweren Holzplatte zurückhastete, um unvermittelt in Letos Rücken wieder aufzutauchen. Der Herzog wich zurück und stand seinem Gegner grinsend gegenüber.
Duncan stieß mit beiden Messern zu und streifte immer wieder den Rand des Halbschildes, doch Leto parierte seine Angriffe geschickt mit Schwert und Dolch. »Du bist abgelenkt, Leto. Du vermisst deine Frau viel zu sehr.«
So ist es in der Tat. Aber ich werde es mir niemals anmerken lassen. Ihre Klingen schlugen gegeneinander, Metall schabte über Metall. Nicht einmal vor dir, Duncan.
Leto machte eine Finte mit dem Kurzschwert und holte dann mit der Faust aus. Er bewegte seine bloße Hand durch den Schild und griff nach Duncans weitem grünem Hemd, nur um seinem Gegner zu beweisen, dass er ihn berühren konnte. Überrascht riss sich der Schwertmeister los, indem er mit dem Nierenmesser auf Letos Augen zielte. Es kam ihnen gefährlich nahe. Duncan sprang auf einen Stuhl, kippte damit um und landete auf dem Boden, ohne das Gleichgewicht zu verlieren.
Durch den Eingang zum Bankettsaal kam eine Dienerin mit einem Tablett voller Erfrischungen. Lässig bedeutete Leto der Frau mit einem Wink zu verschwinden. Diesen Moment nutzte Duncan, um ihn erneut anzugreifen. Aber er benutzte kein Messer, sondern ließ seinen Schild gegen den Letos krachen, bis er seinen Gegner an den Tisch genagelt hatte. Die Dienerin ließ fast ihr Tablett fallen und floh aus dem Bankettsaal.
»Lass dich niemals ablenken, Leto«, sagte Duncan. »Deine Feinde werden gezielt Störungen einsetzen, damit du deine Aufmerksamkeit auf unwichtige Dinge lenkst. Und dann werden sie zuschlagen.«
Leto lag keuchend auf dem Rücken und spürte, wie ihm der Schweiß durch das Haar lief. »Genug! Du hast mich schon wieder besiegt.« Er schaltete seinen Halbschild aus. Der Schwertmeister steckte stolz seine zwei Messer in die Scheiden zurück, dann half er dem Herzog auf die Beine.
»Natürlich habe ich dich besiegt«, sagte Duncan. »Aber ein paarmal hättest du mich beinahe ausgetrickst. Sehr interessante Taktik. Sie lernen dazu, Herzog Atreides.«
»Nicht jeder von uns kann es sich erlauben, acht Jahre auf Ginaz zu verbringen. Und mein Angebot steht nach wie vor, dass du deinen Freund Hiih Resser nach Caladan holen kannst. Wenn er nur halb so geschickt kämpft wie du, wäre er eine willkommene Bereicherung unserer Hauswache.«
Duncan runzelte die Stirn. »Seit seiner Rückkehr zum Haus Moritani habe ich nur wenig von ihm gehört. Ich hatte befürchtet, die Grummaner würden ihn töten, wenn er heimkehrt, aber anscheinend ist er noch am Leben. Ich glaube, er gehört inzwischen sogar zur Leibwache des Grafen.«
Leto wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Offenbar ist er jetzt stärker und klüger als zuvor. Ich hoffe nur, er hat sich nicht bestechen lassen.«
»Es ist nicht so einfach, einen Schwertmeister zu bestechen, Leto.«
Thufir Hawat stand im Eingang zum Bankettsaal und beobachtete die beiden. Nachdem sie ihr Training beendet hatten, trat der Mentat vor und verbeugte sich leicht. Seine sehnige Gestalt spiegelte sich verzerrt in der Wand aus blauem Obsidian. »Ich muss Ihrem Schwertmeister beipflichten, mein Herzog. Ihr Kampfgeschick ist in der Tat besser geworden. Was die Frage der Taktik betrifft, möchte ich jedoch hinzufügen, dass Ablenkungen in beide Richtungen wirksam sein können.«
Leto hatte sich in einen Stuhl fallen lassen, während Duncan den unbeschädigten Kerzenständer wieder aufstellte. »Was willst du damit sagen, Thufir?«
»Ich bin Ihr Sicherheitsbeauftragter. Meine Aufgabe besteht darin, Ihr Überleben zu gewährleisten und das Haus Atreides zu beschützen. Ich habe versagt, als ich die Explosion des Luftschiffs nicht verhindern konnte, genauso wie ich versagt habe, als Ihr Vater in der Stierkampfarena starb.«
Leto drehte sich zum ausgestopften Kopf der monströsen Bestie mit den zahlreichen Hörnern um, die den alten Herzog getötet hatte. »Ich weiß, was du mir sagen willst, Thufir. Du möchtest, dass ich nicht an den Kämpfen auf Ix teilnehme. Es wäre dir lieber, wenn ich stattdessen etwas tue, das mein Leben nicht in Gefahr bringt.«
»Ich möchte, dass Sie die Rolle eines Herzogs spielen, Mylord.«
»Das sehe ich genauso«, sagte Duncan. »Rhombur muss während der Schlacht anwesend sein, damit die Menschen ihn sehen können, aber du musst dich mit dem Landsraad auseinander setzen – was meiner Ansicht nach ein viel härterer Kampf sein wird.«
Leto warf seinen beiden Militärberatern einen finsteren Blick zu. »Mein Vater hat während der Ecazi-Revolte in vorderster Front gekämpft, genauso wie Dominic Vernius.«
»Das waren andere Zeiten, Herr. Außerdem hat Paulus Atreides nicht immer auf gute Ratschläge gehört.« Hawat blickte sich bedeutungsvoll zum Kopf des salusanischen Stiers um. »Sie müssen in Ihrem eigenen Stil kämpfen, um den Sieg zu erringen.«
Leto hob sein Kurzschwert über die Schulter und hielt es wie einen Dolch locker am Griff, dann warf er es. Die Klinge überschlug sich in der Luft.
Der Mentat riss die Augen auf, und Duncan keuchte überrascht, als sich das Schwert in den schwarzen, schuppigen Hals des Stiers bohrte.
»Du hast Recht, Thufir. Ergebnisse interessieren mich mehr als große Auftritte.« Zufrieden mit sich wandte Leto sich wieder seinen Beratern zu. »Wir müssen dafür sorgen, dass das ganze Imperium versteht, was die Atreides auf Beakkal demonstriert haben. Keine Warnung. Keine Gnade. Keine Zweideutigkeit. Mit mir ist nicht zu spaßen.«